Darf es ein bisschen mehr Wildnis sein? Wildniswochenende für Familien vom 12.-14. Mai 2017 auf dem Werkmannhaus.
Wenn der eine oder der andere sich fragt, was den Reiz der alpinen Landschaft oder das Draußen sein vor unserer Haustür interessant macht, so kommt man um das Thema des Wilden oder Ungezähmten nicht herum. Und dabei geht es nicht um den Gegensatz oder Kontrapunkt zu unserer Zivilisation sondern einfach um einen Rückbezug zu unserer allgegenwärtigen Lebensgrundlage.
Für mich war die Wildnis schon lange ein Rückzugsort und Reflexionsmittel um für mich selbst Gutes zu tun und so lag es nahe in Kooperation zusammen mit einem erfahrenen Wildnispädagogen ein Wochenende auf einer Selbstversorgerhütte auf der schwäbischen Alb für die Familiengruppe anzubieten.
Am Waldrand nahe eines Dörfchens auf der Albhochfläche begab es sich also in lauen Maitagen, dass zahlreiche Feuersalamander, Erwachsene und Kinder, in ihren vierrädrigen Gespannen mit mannigfaltigen Erwartungen angereist kamen, um etwas tiefer in die Lebensweise einer uralten Tradition einzutauchen.
Ein Tipi war bereits aufgebaut und wir begrüßten zusammen mit Taiga, einem Malamute Schlittenhund, der schnell unter den Kindern Freunde fand, die Angereisten.
Unser Plan war sehr ambitioniert, sollte er doch für das Abendessen am offenen Feuer noch genug Zeit für das Ankommen lassen. Denn es musste erst Holz aus dem ziemlich leergeräumten Wald besorgt, gespalten und ein Feuer entfacht werden. Wer nun denkt mit Feuerzeug und Grillanzünder sei das kein Problem, der hat jedoch noch nie entfernt von Supermärkten ein Feuer entzündet. Mit Feuerstahl und Feuerstein gingen wir also zu Werke und schichteten sorgfältig Zunder und Holz nach, bis aus dem Funken ein Feuer erwuchs welches geeignet schien Pizza an Stöcken über dem Feuer zu backen. Pizza an Stöcken? Ja das war für viele neu, aber ich will euch ja neugierig machen auf das selber ausprobieren…. Doch dann wurde es Abend und Nacht. Und wie es mit Familiengruppen so seine Bewandtnis hat müssen die Kinder im Laufe des Abends mehr oder weniger freiwillig dazu angehalten werden zur Nachtruhe überzugehen. In unserer Gruppe hat sich dazu im Laufe der Zeit eine feste Größe etabliert und die besteht aus dem Vorlesen spannender Bücher. Und so gab es passend eine Indianergeschichte, die den Abend ausklingen ließ und gleichzeitig neugierig auf das bevorstehende Wochenende machte.
Verschlafen blinzelten wir der Morgensonne entgegen und stärkten uns zivilisiert mit Kaffee und Kaba. Da der Abend mit einer Geschichte ausklang, ging es genauso weiter, nur dass wir uns nun selbst Geschichten in Form von songlines erzählen wollten. Dazu teilten wir uns in Gruppen auf, die in verschiedene Richtungen aufbrachen und erkundeten die Gegend um die Hütte. Von diesen Wegen wurden Geschichten bildlich erzählt wie der Weg zu finden sei, den die jeweils andere Gruppe dann finden musste. Und am Ende wartete für alle der Schatz ...
Und was haben wir alles auf unserem Weg gefunden. Waldschulen mit unartigen Bäumen, Hexenhäuser, Ameisenwege, sogar den Bodensee gab es zu entdecken, der sich im Waldweg versteckt hatte und vieles mehr ...
Doch auch um die Hütte gab es danach viel zu entdecken: Vom Spitzwegerich angefangen, über Frauenmantel, dem Wiesenbocksbart, bis hin zur seltenen Zahnwurz wurde so einiges Nützliches – zum Verzehr – zur Heilung – oder zum Entdecken erforscht und dabei ein erster Einblick gegeben wie, neben dem üblichen Botanisieren Wissen vor der Einführung von Schulen im heute sogenannten „Coyote teaching“ seit frühen Zeiten weitergegeben wurde. Danach gab es handwerkliches zu tun: am Vorabend hatten wir angefangen aus gefundenen und gespaltenen Rohlingen durch Glutbrennen Holzlöffel herzustellen und diese wurden nun weiter gebrannt, geschnitzt oder verziert am abendlichen Feuer. Das es viele Methoden gibt ein Feuer zu entfachen, lernten wir durch einen weiteren Versuch mit einem Feuerbogen genügend Reibung zu erzeugen um die entstehende Glut in Rohrkolbensamen aufzufangen, was uns „natürlich“ …. glückte!
Oliver Neumaier als Wildnispädagoge, unser Mentor in diesen Belangen, gelang es in vielen Momenten durch seine inspirierende bestimmte, aber dennoch ruhige Art uns mit der Zeit nicht nur vertrauter, sondern auch lebendiger im Bezug zu der jeweils vorhandenen Umgebung werden zu lassen. Mit der Zeit wurde so die Natur nicht nur wieder zu unserem Zuhause, sondern konnte in vielen Momenten auch als Spiegel für unser eigenes Selbst, wenn nicht sogar für Kernthemen unserer Gesellschaft werden.
Wir waren also gespannt und gleichzeitig entspannt, was uns der nächste Tag nach einer Fortsetzung der Indianergeschichte am Abend für erweiternde Gedanken und Eindrücke bereithalten würde.
Es regnete abends, so dass wir froh waren ein festes Dach oder ein Tipi über uns zu haben. Es ging ja auch nicht um „survival“ gegen die Elemente, sondern um ein allmähliches Hineingleiten in ein Miteinander, mit uns und mit der Natur. Und so machte der Wildnis-Büchertisch am Abend neugierig auf mehr.
Der nächste Tag begann mit Spielen mit viel Aktivität zur Belebung und auch ein Geweih fand seinen Platz als Spielinventar. Anschließend machten wir uns auf den Weg an verschiedenen Stationen Tierspuren zu erkunden, die vertraut machten mit der Lebensweise der Säugetiere, dem Aufspüren und Interpretieren der verschiedenen Pfotenabdrücke, Fraßspuren und sonstigen Zeichen die über die Lebensgewohnheiten unserer scheuen Nachbarn Aufschluß geben. Und: es war Muttertag an diesem Sonntag. Um es vorweg zu nehmen, waren die Frauen unserer Gemeinschaft nicht ganz befreit von Arbeit und Mühe, da gemeinsam die Hütte anständig verlassen werden musste dafür nochmals herzlichen Dank an alle. Doch gab es für sie (und auch für die Kinder und hungrige Männer ;-)) in der Glut im dutch oven gebackenen Apfelkuchen, der an manchen Stellen doch etwas durchgebackener hätte sein dürfen, aber doch auch ein wenig versöhnlich von den auferlegten Pflichten Abstand gewinnen ließ.
Nachdem alles geputzt, gepackt und verschnürt war, verließen wir unser Wochenendzuhause in der Natur und begaben uns durch ein Unwetter hindurch auf die sicheren Straßen Richtung Heimat.
Danke an alle, die ihr mitgewirkt habt an diesem erlebnisreichen Wochenende, danke an die Natur die uns diese Erfahrungen und Eindrücke kostenlos immer noch schenkt und für uns da ist. Mit ihr Dank an all die Menschen des DAV, der Sektion, die die Infrastruktur am Leben hält und an alle, die den Geist bewahren und uns vorleben mit der Natur im „wilden“ Einklang zu leben. Danke, und somit bis bald zu einer möglichen Fortsetzung im nächsten Jahr, oder auf den kommenden Touren der Familiengruppe Feuersalamander. Ich hoffe wir sehen uns.
geschrieben von Jürgen Kalke, Bilder Familiengruppe Feuersalamander